Der DOG-Newsblog

Nachrichten und Berichte aus dem Schulleben

Zukunftsstadt Bad Mergentheim

Bad Mergentheim ist die am stärksten wachsende Stadt im Main-Tauber-Kreis.

Und das trotz Geburtenrückgang, Sanierungsstau, altem Baubestand, teils mit hohen Auflagen. Für viele Menschen sind nicht nur das Arbeitsangebot, die räumliche Lage oder Flucht und Vertreibung, sondern die gute Atmosphäre und gelungene Verknüpfung von alt und neu ganz wesentlich, nach Bad Mergentheim zu ziehen und ein Zuhause aufzubauen.

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Maßgeblich für die räumliche, von Menschen gestaltete Attraktivität Bad Mergentheims sind die Planungen und Ideen zur Stadtentwicklung, die im Rahmenplan der Landesgartenschau 2034 festgehalten sind.

Am Donnerstag, dem 28.11.24 traf sich der Geographie Leistungskurs unter Leitung von Jonas Terrahe mit der Architektin und Stadtplanerin Kathrin Herz zu einer besonderen Stadtführung mit dem Ziel, einige der städtebaulichen Maßnahmen auf dem Weg zur Landesgartenschau 2034 genauer zu erkunden. Wie kaum in einer anderen Stadt fanden wir vor Ort durchdachte, konstruktive und konkrete Antworten auf gewaltige, globale Problemlagen wie Klimawandel, Integration von Migranten, Überalterung der Gesellschaft und Verkehrsinfakt.

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Urbanes Wohnen auf alter Industriebrache

Auf abenteuerlichen Wegen ging es zunächst ins „Urbane Quartier Herrenwiesen Süd“. Das Projekt ist in mehrfacherweise innovativ und spannend: Erstens, zeigt es, wie Innenentwicklung und damit verbunden Urbanität in einem Quartier mit Artenschutz und Klimaresilienz verbunden werden kann. Zweitens, entstehen sollen nutzungsflexible Gebäude, deren Primärenergiefaktor gegen null strebt und attraktive, abwechslungsreiche Grün- und Freiräume. Drittens, das neue Quartier soll Zusammenleben, Integration und Inklusion verschiedener Gruppen ermöglichen und somit einen Beitrag für eine lebendige Stadtgesellschaft leisten. Gleichzeitig sollen neue Formen von wohnverträglichem Gewerbe und Dienstleistungen in Synergie mit dem an das Areal angrenzende Mittelstandszentrum erprobt werden, sodass ein attraktiver Standort für Bestandsunternehmen und Zukunftsbranchen entstehen kann.

Zwischen Bahngleisen und Schotterbergen stellt uns Frau Herz die Frage: „Wie wohnt man heute?“ und teilte dabei historische Karten der Stadt von 1833 zur Verortung aus. Wo wir stehen, zeigt die historische Karten Wiesen, die sogenannten Herrenwiesen, nach denen das gesamte Areal nördlich der Gleise und südlich der Tauber benannt ist. Später entstand hier der Schlachthof (heute toom) und das Gewerbegebiet. Das „Urbane Quartier Herrenwiesen Süd“ ist seit einiger Zeit eine Brachfläche, die sich entlang der Gleise zieht. Einst war hier ein Sägewerk (später Rudolph GmbH), zuvor Teile einer Sportartikelfabrikation (Süddeutsche Hammerwerke). Heute hörten wir im Hintergrund den Autoverkehr rauschen und ab und zu das Klacken des noch immer manuell betriebenen Stellwerks der Bahn. Spätestens durch die Corona-Pandemie würden die Funktionen Wohnen und Arbeiten verschwimmen, so Herz. Verkehr werde zunehmend elektrifiziert. In naher Zukunft werden hier Wohnungen in mehrstöckigen Gebäuden für Jung und Alt, Arm und Reich entstehen. Gerade die soziale Durchmischung sei wichtig für die Innenentwicklung der Stadt, um so Gemeinschaft, Inklusion und Multifunktionalität schon im Vorherein Vorschub zu leisten. Aktuell wird gemeinsam mit dem Büro Astoc ein städtebaulicher Rahmenplan für das Gebiet entwickelt. Frau Herz zeigt uns Fotos vom Arbeitsmodell. Damit gibt sie Einblick in den aktuellen Planungsstand. Bei der Planung des Quartiers werden wo es möglich ist interessierte Bürgerinnen und Bürger einbezogen. Auf Initiative des Gemeinderates und Jugendgemeinderates sollen hier - neben einem neuen Jugendzentrum, das das bestehende „Marabu“ ablöst - „Wachbach-Terrassen“ am renaturierten und wieder freigelegten Fluss zum Verweilen und Chillen geschaffen werden. Über den durch das Quartier geleiteten Taubertal-Radweg wird eine direkte Anbindung sowohl ins Zentrum als auch ins Grüne Richtung Edelfingen geschaffen. Die Reaktivierung der Industriebrache sei deutlich günstiger als die Neuerschließung von Bauland, erklärte die Architektin. Die Einbindung privater Investoren sei z. B. durch Erbpachtverträge denkbar. Somit hätten die Stadtväter auch langfristig und nachhaltig die Chance, auf die Bodenpolitik und Baugestaltung für dieses „Filetstück Bad Mergentheims“ Einfluss zu nehmen.

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Drehscheiben des Regionalverkehrs

Weiter ging es zum Bahnhofsplatz. Historisch verlief hier die Grenze zwischen Baden und Württemberg, weshalb noch heute historische Gebäudestrukturen doppelt vorkommen. Als regionales Verkehrs-Drehkreuz sollen durch „Mobility-Hubs“ auf und um den Platz zunehmend mehr Angebote geschaffen werden, verschiedene Verkehrsmittel zu kombinieren. Weitere Themen der Planung sind neben dem Ankommen und Umsteigen sind Orientierung, Barrierefreiheit, Außengastronomie, Sitzmöglichkeiten und der hitzeangpasste und wassersensibile Stadtumbau.

Das Zusammenführen der Gegensätze von Bewegung (Verkehr) und Verweilen (sich treffen, Gemeinschaft erleben) geht gerade durch das spannende Bundes-Pilotprojekt „Landstation“ in Markelsheim in die Konzeptphase. Die historische Zehnscheune soll zu einem multifunktionalen Begegnungszentrum ausgebaut und gleichzeitig das Verkehrsangebot für Rad, Auto, Bus und Bahn flexibel erweitert werden. Kathrin Herz hat die Bewerbung federführend koordiniert und leitet das Projekt. „Die Markelsheimerinnen und Markelsheimer haben nun mit dem Kooperativen Mobilitätskonzept die großartige Chance, eine passgenaue kulturelle, soziale und touristische Anlaufstelle für Einheimische und Gäste zu konzipieren. In Kombination mit den Mobilitätsangeboten trägt das Vorhaben nicht nur zur Daseinsvorsorge bei, sondern verbessert die Erreichbarkeit vor Ort. Damit kann Markelsheim noch lebenswerter werden.“

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Der Magen von Bad Mergentheim

Nach wenigen Metern und entlang von Bauabsperrungen laufen wir über den neuen Gänsmarkt. Die helle, offene und freundliche Atmosphäre, umringt von historischen Gebäuden, lässt uns trotz des Baulärms vergessen, dass vor nicht mal vier Jahren hier noch über 4000 Autos täglich durchgefahren sind. „Wer für Autos plant, bekommt Autos. Wer für Menschen plant, bekommt Menschen.“ zitiert Frau Herz frei den berühmten Kopenhagener Stadtplaner Jan Gehl.

Doch nicht nur als barrierefreier Aufenthaltsplatz, sondern die städtebaulichen Anpassungen auf den Klimawandel machen den Platz besonders. Aktuell gebe es laut einer eigens für den Gänsmarkt vom Deutschen Wetterdienst erstellten Studie 18 Hitzetage und Tropennächte mit durchschnittlich über 30°C und 63 Sommertage über 25°C. Das mache Bad Mergentheim schon jetzt zur heißesten Kurstadt in ganz Baden-Württemberg. Bis 2100 würden es den Szenario-Berechnungen zufolge 55 Tage über 30°C sein. Das seien im Jahresschnitt jeder 7. Tag. Dadurch bedingt werde es immer häufiger zu Starkregen kommen, immer häufiger würden Siedlungen von Hochwasser bedroht und stehen unter Wasser.

Der Gänsmarkt sei wassersensibel und hitzeangepasst, berichtet Katrin Herz. Der helle, versickerungsfähige Belag aus dem nahen Steinbruch in Kirchheim und die 16 Bäume in den grünen Inseln auf dem Platz senken die Durchschnittstemperatur im Sommer um 3 °C. Wo möglich wurde der Stadtboden entsiegelt, ansonsten ist im Untergrund Dränbeton verarbeitet, um als urbaner „Schwamm“ die extremen Wasserschwankungen auszugleichen. In seiner Gesamtkonzeption und durch die stetige Einbindung der Bevölkerung hat der Platz schon jetzt, vor seiner endgültigen Fertigstellung, Modellcharakter für andere Städte. Frau Herz bezeichnet den Platz als „Magen“, wohl wegen seiner Strahlkraft von Wohlbefinden und Behaglichkeit. Er gewann den begehrten „polis Award“ in der Kategorie „Lebenswerter Freiraum“. Hier heißt es in der Urteilsbegründung: „Der rd. 3.000 m2 große multifunktionale Platz bietet vielfältige Möglichkeiten der Aneignung für sämtliche Altersgruppen, berücksichtigt Belange demografischen Wandels und der Barrierefreiheit und ist als „Klimaplatz“ nach dem Schwammstadt-Prinzip gestaltet.“

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Willkommensplatz Igersheimer Straße

An unserer letzten Station ging es besonders um die Herausforderungen, (Schwerlast-)Verkehr mit Klimaanpassung zu vereinen. Der noch immer hervorstechende Charakter als Bundesstraße soll zu einem grünen Boulevard und integrierenden Scharnier der Stadtentwicklung werden, der gleichsam für Autos, Radfahrer und Fußgänger da ist. Baum-Quartiere leiten fließend zum Kurpark über. Das historische Kapuzinerkloster wird räumlich stärker in die Innenstadt eingebunden, indem offene Strukturen mit leichteren Querungen geschaffen werden. In Feldversuchen werden ab 2025 Teile der Verkehrsfläche neu aufgeteilt, provisorische Sitzangebote geschaffen, Radwege markiert – ähnlich wie es schon im Vorfeld der Bauarbeiten am Gänsmarkt Spielcontainer oder ein Dach aus bunten Regenschirmen gab, um die Akzeptanz für eine Neugestaltung des Platzes zu testen. Auch hier wünscht sich Katrin Herz noch mehr Rückmeldungen und Beteiligungen der Jugend. Denn gerade sie seien es, die langfristig mit den heutigen Planungsentscheidungen lebten.

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